Arbeitsgericht Kassel, Urteil vom 18.04.2013, Az. 9 Ca 511/12
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Arbeitsgericht Kassel, Urteil vom 18.04.2013, Az. 9 Ca 511/12

In dem Rechtsstreit

(…)

 

gegen

 

(…)

 

hat das Arbeitsgericht Kassel, Kammer 9,

auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013

 

für Recht erkannt:

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Der Kläger hat die Kosten zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

 

Die Berufung wird nicht zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung aufgrund gesetzlicher

Bestimmungen bleibt unberührt.

 

Tatbestand

 

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

 

Die Parteien waren bis zum betriebsbedingten Ausscheiden des Beklagten aus dem Betrieb Arbeitskollegen und bei der (…) in (…) beschäftigt. Der Kläger ist nach wie vor Arbeitnehmer dieser Arbeitgeberin.

 

In der Vergangenheit kam es zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin zu mehreren Streitigkeiten und arbeitsgerichtlichen Verfahren. Die Arbeitgeberin sprach gegenüber dem Kläger im Jahr 2007 zunächst eine betriebsbedingte Beendigungskündigung aus. Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zu einer Vielzahl weiterer Kündigungen (teils fristlose, teils ordentliche Kündigungen). Der Kläger obsiegte in allen anhängig gemachten und einer Entscheidung zugeführten Kündigungsschutzverfahren. Die Arbeitgeberin des Klägers hatte im Rahmen von Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt bzw. schriftsätzlich im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren angeführt, dass der Beklagte am 12.02.2007 gegenüber dem seinerzeitigen gemeinsamen Vorgesetzten der Parteien, Herrn (…), geäußert habe: “Wenn ich etwas gegen Herrn (…) unternehme, steckt er mir das Haus an.”

 

Mit einer am 28.04.2011 beim Arbeitsgericht (…) eingereichten Klage (Az.: 4 Ca 29/11) begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten, es zu unterlassen, wortwörtlich oder sinngemäß zu behaupten: “Wenn ich etwas gegen Herrn (…) unternehme, steckt er mir das Haus an”. Die Klage wurde durch inzwischen rechtskräftiges Urteil des Arbeitsgerichts (…) vom 31.08.2011 abgewiesen.

 

Mit der am 28.12.2012 beim Arbeitsgericht (…) eingereichten Klage begehrt

der Kläger von dem Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ca. am 12.02.2007 gegenüber dem damaligen gemeinsamen Vorgesetzten der Parteien geäußert: “Wenn ich etwas gegen Herrn (…) unternehme, steckt er mir das Haus an”. Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe ihn durch diese Äußerung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Die Äußerung des Beklagten sei nicht durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Es sei unzutreffend, dass er den Beklagten am 12.02.2007 verbal attackiert habe bzw. sich der Beklagte bei jedem Schichtwechsel einem Schwall von Vorwürfen und Ärger und Vorhaltungen ausgesetzt gesehen habe. Ab dem Jahr 2000 habe es nur noch sporadische Schichtwechsel zwischen den Parteien gegeben. Ab Ende 2003 sei es zu keinerlei Schichtwechsel mehr zwischen den Parteien gekommen. Der Kläger bestreitet, dass der seinerzeitige gemeinsame Vorgesetzte Herr (…) die Mitarbeiter der gemeinsamen Arbeitgeberin einzeln und vertraulich dazu befragt habe, ob und wie sich die kollegiale Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Mitarbeitern und dem Kläger gestalte. Es sei auch unzutreffend, dass die streitgegenständliche Äußerung des Beklagten zwischen der Arbeitgeberin und ihm bereits im Jahr 2007 erörtert worden sei. Er habe von den Äußerungen des Beklagten erst im Jahr 2009 durch Anträge der Arbeitgeberin an das Integrationsamt auf Zustimmung zu Kündigungen erfahren. Der Kläger sei aufgrund der streitgegenständlichen Äußerung des Beklagten massiven arbeitsrechtlichen

Auseinandersetzungen mit seiner Arbeitgeberin ausgesetzt gewesen. Die gesamte Situation habe gesundheitliche Beeinträchtigungen für ihn nach sich gezogen. Seit 2010 leide er vermehrt unter Schwindel und Schlafstörungen, wobei organische Ursachen ausgeschlossen worden seien. Das Verhalten des Beklagten sei als schwerwiegende Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und als Verstoß gegen die guten Sitten zu werten. Der Beklagte sei daher verpflichtet, den hieraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Kläger ist schließlich der Ansicht, aufgrund der Persönlichkeitsrechtsverletzung sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500,00 € angemessen.

 

Der Kläger beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld, welches den Betrag von 1.500,00 € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Der Beklagten beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger stehe kein Schmerzensgeldanspruch wegen angeblicher Ehrverletzung bzw. vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Der Beklagte trägt vor, es treffe nicht zu, dass er am 12.02.2007 gegenüber dem damaligen gemeinsamen Vorgesetzten der Parteien die vom Kläger zitierte Äußerung wörtlich getätigt habe. Er könne allerdings nicht ausschließen, dass er seinerzeit auf Nachfrage des gemeinsamen Vorgesetzten hin sinngemäß zum Ausdruck gebracht habe, dass er Angst vor dem Kläger habe, wenn er gegen diesen etwas unternehme oder aussage. Hintergrund dieser Äußerung seien Spannungen und Konflikte zwischen den Parteien an der Arbeitsstelle gewesen. Am 12.02.2007 habe der Kläger ihn verbal attackiert. Er habe sich einem Schwall von Vorwürfen und Ärger und Vorhaltungen bei jedem Schichtwechsel ausgesetzt gesehen. Der Kläger habe ihm unter anderem vorgeworfen, dass er seine Arbeit nicht richtig mache und auch nicht leistungsfähig sei. Die Äußerungen des Klägers seien jeweils ohne Anlass und unberechtigt erfolgt. Er habe sich schließlich Anfang Februar 2007 an den gemeinsamen Vorgesetzten,

Herrn (…), gewandt und diesen über das Verhalten des Klägers informiert. Herr (…) habe ihn aufgefordert, selbst etwas gegen den Kläger zu unternehmen. In diesem Zusammenhang sei es dann zu seiner sinngemäßen Äußerung gekommen, weil er Angst gehabt habe, etwas gegen den Kläger zu unternehmen. Sein Wunsch sei seinerzeit gewesen, vom Kläger in Ruhe gelassen zu werden. Er sei es zudem leid gewesen, dass unter anderem sein Fahrzeug beschädigt worden sei. Die streitgegenständliche Äußerung sei im Rahmen eines vertraulichen Gesprächs mit dem seinerzeitigen Vorgesetzten getätigt worden. Selbst wenn die streitgegenständliche Äußerung wörtlich so gegenüber dem Vorgesetzten gefallen sein sollte, liege darin keine Ehrverletzung und keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Die vom Kläger behauptete Äußerung sei jedenfalls im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt. Es habe sich zudem um eine einmalige Äußerung im Rahmen einer Beschwerde im Arbeitsverhältnis gehandelt. Er habe seinerzeit weder am Arbeitsplatz gegenüber Kollegen noch außerhalb des Arbeitsverhältnisses irgendwelche ehrverletzenden Äußerungen über den Kläger verbreitet. Es sei zudem davon auszugehen, dass die streitige Äußerung dem Kläger bereits seit 2007 bekannt sei, da die Beschwerden der Belegschaft über den Kläger bereits im Jahr 2007 zwischen der seinerzeitigen gemeinsamen Arbeitgeberin und dem Kläger erörtert worden seien. Er berufe sich daher höchst vorsorglich auf die Einrede der Verjährung. Der Beklagte bestreitet den Eintritt gesundheitlicher Beeinträchtigungen aufgrund der streitgegenständlichen Äußerung. Der Beklagte trägt vor, es sei nicht dargetan, dass die streitgegenständliche Äußerung ursächlich für irgendwie geartete gesundheitliche Beeinträchtigungen des Klägers gewesen sei. Die Kündigungsbestrebungen der seinerzeitigen gemeinsamen Arbeitgeberin seien zudem nicht ausschließlich wegen der streitigen Äußerungen unternommen worden.

 

Wegen des sonstigen Vortrags der Parteien wird im Übrigen auf die Sitzungsniederschrift vom 18.04.2013 (Blatt 52 der Akten) und auf die zu den Akten gereichten

Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

I.

 

Die zulässige Klage ist unbegründet.

 

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.

 

1.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ergibt sich zunächst nicht aus den §§ 826, 249 BGB. Der Kläger hat die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht hinreichend dargetan. Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügen wollte. Im Gegensatz zu den §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB muss sich der Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB auf die gesamten Schadensfolgen beziehen. Der Täter haftet also nicht bereits dann für einen mittelbaren Schaden, wenn dieser nur adäquat kausal verursacht ist, sondern er muss auch diese fernere Schadensposition in seinen Willen aufgenommen haben. Der Geschädigte muss den Sittenverstoß und den Schädigungsvorsatz (Verschulden) darlegen und beweisen (vgl. Reichhold in: juris-PK-BGB Band 2, 6. Auflage 2012, § 826 BGB, Rand-Nummer 62 ff.). Dem Vortrag des Klägers kann nichts entnommen werden, was dafür sprechen könnte, dass sich der für eine Anwendung des § 826 BGB erforderliche Vorsatz des Beklagten auf die gesamten Schadensfolgen bezogen haben könnte. Der Vortrag des Klägers beschränkt sich auf eine Darstellung der streitigen Äußerung des Beklagten sowie Ausführungen zu Verhaltensweisen der Arbeitgeberin des Klägers im Nachgang der streitgegenständlichen Äußerung. Dies reicht zur Darlegung eines Schädigungsvorsatzes des Beklagten im Sinne des § 826 BGB aber nicht aus.

 

2.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung des begehrten Schmerzensgeldes folgt auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Artikeln 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG). Es fehlt an einer anspruchsbegründenden Persönlichkeitsverletzung durch den Beklagten.

 

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches neben den dinglichen Rechten das praktisch bedeutsamste “sonstige Recht” im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist, ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört der sogenannte Ehrenschutz, der auch auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen, wie die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist (vgl. BAG 28.10.2010 – 8 AZR 546/09, NZA-RR 2011, 378; LAG Rheinland-Pfalz 07.09.2012 – 6 Sa 703/11, NZA-RR 2013. 192). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, als rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht oder als Gesundheitsverletzung zu gelten. Folgenloses oder sozial- und rechtsadäquates Verhalten ist aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, d. h. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers von der rechtlichen Bewertung auszunehmen (vgl. BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1104; LAG Rheinland-Pfalz, 7.9.2012, aaO). Soweit es um eine behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung aufgrund von Äußerungen geht, bedarf der Schutz der Persönlichkeit (Artikel 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) gegenüber dem Recht der freien Meinungsäußerung (Artikel 5 Abs. 1 GG) der Abwägung. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt dessen Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst im Wege einer Abwägung widerstreitender grundrechtlich geschützter Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH 20.12.2011 – VI ZR261/10, NJW 2012,771). Soweit es um eine Kollision zwischen dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Artikel 5 Abs. 1 GG geht, ist zu beachten, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung konstituierend ist. Es gewährleistet eine der wesentlichen Äußerungsformen der menschlichen Persönlichkeit. Aufgrund seiner großen Bedeutung ist seine Berücksichtigung jeweils im Rahmen des Möglichen geboten. Mit der überragenden Bedeutung des Grundrechts aus Artikel 5 Abs. 1 GG wäre es unvereinbar, wenn das Grundrecht in der betrieblichen Arbeitswelt, die für die

Lebensgrundlage zahlreicher Staatsbürger wesentlich bestimmend ist, gar nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre. Dabei besteht der Grundrechtsschutz unabhängig davon, ob eine Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist, und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. Der Grundrechtsschutz bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form der Äußerung. Auch eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht eine Äußerung noch nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit. Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 GG nicht schrankenlos gewährt, sondern durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre (Artikel 5 Abs. 2 GG) beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesen Rechten gebracht werden. Dabei gibt die Verfassung das Ergebnis einer solchen Abwägung nicht vor. Dies gilt insbesondere, wenn auch auf der anderen Seite verfassungsrechtlich geschützte Positionen in Betracht kommen. Dazu gehören nicht nur die Menschenwürde (Artikel 1 Abs. 1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 Abs. 1 GG). Durch Artikel 12 GG wird auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers bzw. die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers geschützt. Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet eine Wechselwirkung statt. Den besonderen Wertgehalt des Artikel 5 Abs. 1 GG, der ebenfalls eine Ausbedingung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt und für eine grundsätzliche Freiheit der Meinungsäußerung streitet, muss die gebührende Beachtung geschenkt werden. Die diesem Grundrecht Schranken setzenden Regelungen und gegenläufigen, verfassungsrechtlich geschützten Positionen müssen deshalb ihrerseits aus der Erkenntnis der Werte setzenden Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit ausgelegt und so in ihrer dieses Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden. Entsprechend ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine Abwägung zwischen den Belangen der Meinungsfreiheit und den Rechtsgütern, in deren Interesse das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingeschränkt werden soll, vorzunehmen (vgl. BAG 24.11.2005 – 2 AZR 584/04, NZA 2006, 650). Da bei Werturteilen und Meinungsäußerungen abwertende Kritik, solange sie sachbezogen ist, scharf und schonungslos und sogar ausfällig sein darf, genießt der Schutz des Persönlichkeitsrechts

erst dann Vorrang, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde darstellt. Das ist etwa dann der Fall, wenn die persönliche Kränkung und Herabsetzung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt, wenn es nicht mehr um eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern um die Diffamierung des Betroffenen geht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Innerhalb dieser Grenzen hat die Meinungsfreiheit Vorrang vor dem persönlichen Schutz. Würde man dies anders sehen, wäre die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz bedroht, da dann kritische Äußerungen – beispielsweise von Arbeitnehmern über ihre Vorgesetzte oder auch umgekehrt bzw. kritische Äußerungen von Arbeitnehmern über andere Arbeitnehmer – ggfs. Schmerzensgeldansprüche, d. h. Sanktionen auslösen würden mit der weiteren Folge, dass Kritik tunlichst vermieden würde, um etwaigen Sanktionen zu entgehen (vgl. Hessisches LAG vom 14.11.2005 – 10 Sa 1580/04, juris). Voraussetzung jeder Abwägung ist, dass der Sinn der Meinungsäußerung zutreffend erfasst worden ist. Die Auslegung hat vom “Wortlaut” der Äußerung auszugehen, darf aber den Kontext, in dem sie steht, sowie die für den Empfänger erkennbaren Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, nicht unberücksichtigt lassen, Die isolierte Betrachtung eines bestimmten Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht. Einer Äußerung darf kein Sinn beigelegt werden, den sie nicht besitzt bei mehrdeutigen Äußerungen muss eine ebenfalls mögliche Deutung mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden. Bei Aussagen, die bildlich eingekleidet sind, müssen sowohl die Aussage der Einkleidung selbst als auch die sogenannte Kernaussage je für sich darauf überprüft werden, ob sie die gesetzlichen Grenzen überschreiten. Auf diese Weise lässt sich ein wirksamer Schutz der grundrechtlichen Meinungsfreiheit gewährleisten (vgl. BAG 24.11.2005 – 2 AZR 584/04, NZA 2006, 650).

 

Ausgehend hiervon überschreitet die vom Kläger angeführte Äußerung des Beklagten aus Februar 2007 nicht die Grenzen der Meinungsfreiheit. Jedenfalls lässt sie sich auch in einer nicht beleidigenden bzw. schmähenden Weise auslegen. Der Kläger beschränkt sich im Rahmen seiner Deutung der dem Beklagten zugeschriebenen Aussage auf den Wortlaut der Äußerung. Ausgehend hiervon kommt der Kläger offenbar zu dem Ergebnis, der Beklagte habe mit der streitigen Äußerung kundtun wollen, dass es sich bei dem Kläger um einen potentiellen Brandstifter handelt bzw. dem Kläger eine Brandstiftung oder vergleichbare strafrechtliche Verhaltensweisen zuzutrauen seien. Diese Auslegung der streitigen Äußerung des Beklagten blendet jedoch den Kontext, in welchem die hier streitige Aussage des Beklagten steht und die für den Empfänger erkennbaren Begleitumstände, unter denen sie gefallen ist, vollständig aus. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte die vom Kläger angegriffene Äußerung gegenüber dem seinerzeitigen gemeinsamen Vorgesetzten im Zusammenhang mit Spannungen am Arbeitsplatz getätigt hat Zwischen den Parteien ist des Weiteren unstreitig, dass die streitgegenständliche Äußerung des Beklagten von diesem getätigt worden ist, nachdem der seinerzeitige gemeinsame Vorgesetzte wegen einer Beschwerde des Beklagten über den Kläger den Beklagten aufgefordert hat. selbst etwas gegen den Kläger zu unternehmen. Unter Berücksichtigung der Begleitumstände drängt sich eine Auslegung der streitigen Äußerung des Beklagten in der Weise auf, dass dieser lediglich Ängste bzw. Befürchtungen bezüglich eines möglichen zukünftigen Verhaltens des Klägers im Falle der Kenntniserlangung von der Beschwerde des Beklagten bzw. im Falle von Maßnahmen des Beklagten gegen den Kläger zum Ausdruck bringen wollte. Der Beklagte hat im Rahmen des bei Darstellung seiner subjektiven Befürchtungen getroffenen Werturteils im Hinblick auf die Person des Klägers nicht die Grenze zur Schmähkritik überschritten. Die Äußerung des Beklagten zielte nicht auf eine persönliche Kränkung oder Herabsetzung des Klägers ab. Dem Beklagten ging es darum, seitens des Vorgesetzten Hilfe im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Konfliktsituation zu erhalten und nach Verweis des Vorgesetzten auf eigene Aktivitäten die Notwendigkeit von Hilfestellungen durch den Arbeitgeber zu unterstreichen. Derartiges muss der Kläger hinnehmen ohne Schmerzensgeldansprüche geltend machen zu können, auch wenn er die subjektiven Befürchtungen bzw. die Bewertung der arbeitsrechtlichen Konfliktsituation durch den Beklagten für falsch hält. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte die angeführte Äußerung lediglich einmalig und zudem im Rahmen eines Vier-Augen-Gesprächs, welches durchaus als vertrauliches Gespräch eingeordnet werden kann, getätigt hat. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen eines ehrverletzenden Gehaltes nicht schutzwürdig wären, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und als Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung

Betroffenen vorgeht (vgl. BAG 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, aaO).

 

3.

Aufgrund der Ausführungen und Wertungen unter I. 2. scheidet auch ein Anspruch

des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 185 StGB aus. Wie oben ausgeführt wurde, überwiegt im Rahmen der Gesamtabwägung die Meinungsfreiheit des Beklagten vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers.

 

4.

Ein Anspruch des Klägers folgt schließlich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 186, 187 StGB. Ein etwaiger Anspruch des Klägers scheitert am Fehlen einer (unwahren) Tatsachenbehauptung durch den Beklagten. Tatsachen sind nicht nur alle Sachverhalte, die Bestand sinnlicher Wahrnehmung sein könnten, sondern auch innere Sachverhalte, sobald sie zu äußeren Erscheinungen in Beziehung treten. Den Gegensatz einer Tatsache bilden Werturteile und andere subjektive Wertungen, die bloße Meinungen ausdrücken, ohne dass sie durch Tatsachen belegt werden. Sie enthalten lediglich eine subjektive Meinung und fallen evtl. unter § 185 StGB. Die Grenze zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung ist flüssig. Entscheidend ist, ob dem Beweis zugängliche Fakten behauptet werden oder wenigstens die allgemeine Bezeichnung zu bestimmten Vorkommnissen in Beziehung gesetzt ist oder nicht. Sind beide Bestandteile gegeben, entscheidet der überwiegende Teil, Wenn Werturteile durch die Anführung bestimmter Tatsachen belegt werden, so trifft § 186 StGB zu. Ist dagegen das Werturteil die Hauptsache und wird es nur durch Tatsachen gestützt, die sich nicht auf Handlungen des Beleidigten beziehen, so trifft § 185 StGB zu, dies gilt auch bei abwegiger Bewertung eines unverfänglichen Geschehens. Es kommt dann darauf an, ob ein Tatsachenkern zugrunde liegt oder nur stark wertende Äußerungen, vor allem politischer Art, gegeben sind. Maßgebend ist stets die objektive Bedeutung der Äußerung für den Adressaten, nicht der ihr vom Täter beigelegte Sinn (vgl. Tröndle/Fischer, 49. Auflage, 1999, § 186 StGB, Rand-Nr. 1 ff.) Hier bezieht sich die Äußerung des Beklagten auf ein nur befürchtetes mögliches zukünftiges Verhalten des Klägers, weshalb eine dem Beweise zugängliche Tatsachenbehauptung ausscheidet.

 

II.

 

Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (vgl. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO).

 

III.

 

Der Wert des Streitgegenstandes ist in Höhe von 1.500,00 € festgesetzt.

 

 

IV.

 

Gründe, die dafür sprechen könnten, die Berufung gesondert zuzulassen, sind nicht ersichtlich.