Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.05.2011, Az. 25 W 30/11
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.05.2011, Az. 25 W 30/11

In der Beschwerdesache

 

(…) Beklagter und Beschwerdeführer,

 

gegen

 

(…) vertreten durch (…), Klägerin und Beschwerdegegnerin,

 

hier: Antrag des Beklagten auf Ablehnung der Sachverständigen Dr. (…), Dr. (…) und des Diplom-Psychologen (…) als befangen

 

hat der 25. Zivilsenat in (…) des Oberlandesgerichts (…) durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (…) sowie die Richter am Oberlandesgericht (…) und (…) am 20. Mai 2011

 

b e s c h l o s s e n:

 

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts (…) vom 21. April 2011, durch den sein Antrag, die Sachverständigen Dr. (…), Dr. (…) und (…) wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurückgewiesen worden ist, wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf 217.329,00 €.

 

 

Gründe:

 

I.

Die Klägerin begehrt mit der nach Gewährung von Prozesskostenhilfe Anfang des Jahres 2007 erhobenen Klage von dem Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Grundstück mit der Begründung, sie sei zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages am 10. Februar 2003 aufgrund einer hirnorganischen Erkrankung geschäftsunfähig gewesen. Zur Substantiierung dieses Vorbringens hat sie sich auf Gutachten bezogen, die die Sachverständigen Dr. (…) und Dr. (…) Anfang des Jahres 2003 erstellt haben. Jedenfalls Dr. (…) – möglicherweise aber auch Dr. (…) und der Diplom-Psychologe (…) – waren jedenfalls in den neunziger Jahren als angestellte Ärzte in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (…) tätig. Träger dieser Klinik war der Landeswohlfahrtsverband Hessen. Erster Beigeordneter des Landeswohlfahrtverbandes und damit stellvertretender Chef der etwa 14.000 Angestellten des Landeswohlfahrtsverbandes, die unter anderem in 20 Kliniken tätig waren, war der seinerzeitige Ehemann der Klägerin. Dieser schied im Jahr 1995 beim Landeswohlfahrtsverband aus und war in der Folgezeit zunächst als Kämmerer der Stadt (…) und danach für ein Immobilienunternehmen tätig. Seit Ende der neunziger Jahre sind die Eheleute (…) geschieden. Der geschiedene Ehemann der Klägerin zahlte und zahlt auch nach der Scheidung Unterhalt an die Klägerin.

 

Die genannten Sachverständigen kamen bereits in den im Jahr 2003 im Rahmen eines Betreuungsverfahrens erstellten Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aufgrund ihrer hirnorganischen Erkrankung geschäftsunfähig sei. Im vorliegenden Hauptsacheverfahren wurden alle drei Sachverständige gemäß Beweisbeschluss vom 31. Januar 2007 beauftragt, ihre bereits im Jahr 2003 erstatteten Gutachten im Hinblick auf die konkrete Frage zu ergänzen, ob die Klägerin sich zum Zeitpunkt der Beurkundung des Grundstückkaufvertrages in einem die freie Bestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Mit der in der Folgezeit vorgenommenen Ergänzung der genannten Gutachten kamen die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt geschäftsunfähig gewesen sei.

 

Nachdem schließlich im Zuge der mündlichen Erläuterung des schriftlich erstellten Gutachtens im Termin des Landgerichts vom 7. April 2011 die Sachverständigen an ihrer Auffassung festgehalten und der Sachverständige Dr. Günther im Zuge seiner Anhörung auch angesprochen hatte, dass er nach der Begutachtung der Klägerin im Jahr 2003 gehört habe, dass deren ehemaliger Ehemann Erster Beigeordneter des Landeswohlfahrtsverbandes gewesen sei, beantragte der anwaltlich vertretene Beklagte noch im Termin, alle drei Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung gab er die berufliche Verbindung der Sachverständigen zum Landeswohlfahrtsverband und damit zur beruflichen Tätigkeit des ehemaligen Ehemannes der Klägerin an. Mit Schriftsatz vom 14. April 2011, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ergänzte und vertiefte der Beklagte das Ablehnungsgesuch insbesondere mit der Begründung, die Stellung (des Sachverständigen) als Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber einer Partei begründe ebenso wie die langjährige Zusammenarbeit mit einer Partei und eine intensive Geschäftsbeziehung die Besorgnis der Befangenheit. Ebenso sei es, wenn der Sachverständige – wie es im vorliegenden Fall gewesen sei – verschweige, dass er mit einer Partei berufliche Verbindungen hatte oder habe.

 

Durch den angefochtenen Beschluss, auf dessen Begründung wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht den Antrag des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Zwar habe der Beklagte sein Ablehnungsrecht nicht wegen weiterer Verhandlung zur Sache verloren. Der Ablehnungsantrag sei jedoch unbegründet, weil der ehemalige Ehemann der Klägerin bereits im Jahr 1995 und damit 8 Jahre vor der Begutachtung der Klägerin durch die nunmehr abgelehnten Sachverständigen im Jahr 2003 beim Landeswohlfahrtsverband ausgeschieden sei.

 

Gegen diesen Beschluss, der dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 5. Mai 2011 zugestellt wurde, richtet sich die am 13. Mai 2011 beim Landgericht eingelegte sofortige Beschwerde, mit der der Beklagte sein Vorbringen wiederholt und vertieft. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen.

 

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

 

II.

 

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 406 Abs.5, letzter Halbsatz ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 567 Abs.1 Nr. 1, 569 Abs. 1, 2 ZPO).

 

In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg; denn die angefochtene Entscheidung erweist sich auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als richtig.

Die Ablehnung eines Sachverständigen ist aus den gleichen Gründen möglich, die auch zur Ablehnung eines Richters berechtigen würden – § 406 Abs.1 Satz 1ZPO. In Umsetzung von §42 Abs.1, 2ZPO kann demnach ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Dies kann nur in Betracht kommen, wenn objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung in ruhiger und bedachtsamer Abwägung die Befürchtung tragen, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

 

Solche Gründe hat der Beklagte nicht dargetan.

 

Die gesamte Argumentation des Beklagten zur Besorgnis der Befangenheit leidet an dem grundsätzlichen Defizit, dass der Ehemann der Klägerin nicht Partei dieses Rechtsstreites ist. Er wird bei der für die Entscheidung zu Grunde zu legenden objektiven Sicht einer vernünftigen Partei auch nicht dadurch zur “Quasi-Partei” dieses Rechtsstreits, weil er bis zur Scheidung der Eheleute Ende der neunziger Jahre der Ehemann der Klägerin war und ihr – nach wie vor – unterhaltspflichtig ist. Er mag in dieser Position zwar ein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben, wenn er davon ausgeht, dass bei einem Prozesserfolg für die Klägerin, die den Kaufpreis für den Erwerb der Immobilie allerdings finanziert hat, so viel von der Klageforderung “übrig bleibt”, dass dadurch ihr Unterhaltsanspruch zumindest reduziert wird. Dabei handelt es sich aber um eine ersichtlich gekünstelte Unterstellung, die ein Komplott zum Nachteil des Beklagten zwischen dem bereits im Jahr 1995 beim Landeswohlfahrtsverband ausgeschiedenen Ehemann und den abgelehnten Sachverständigen unterstellt, jedenfalls für möglich hält. Dafür ist indes bei nüchterner Sicht der Dinge nichts dargetan oder sonst ersichtlich, vielmehr ist eine derartige Befürchtung schlicht lebensfremd. Wenn sie beim Beklagten vorhanden sein sollte, verhilft sie dem Ablehnungsgesuch als gänzlich unvernünftig jedenfalls nicht zum Erfolg.

 

Im Übrigen kann insoweit ergänzend auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

 

Schließlich kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Sachverständigen den Umstand, dass der ehemalige Ehemann der Klägerin bis 1995 stellvertretender Chef des Landeswohlfahrtsverbandes und damit ihr Vorgesetzter war, in einer die Ablehnung begründenden Weise verschwiegen haben. Vielmehr hat der Sachverständige Dr. Günther absolut nachvollziehbar erklärt, dass er dieser ihm erst nach erstmaligen Begutachtung des Gesundheitszustandes der Klägerin im Jahr bekannt gewordenen Tatsache nach den Umständen im Hinblick auf eine eventuelle Befangenheit keinerlei Bedeutung zugemessen hat. Diese Einschätzung des Sachverständigen ist schlicht und einfach richtig. Für ihn bestand überhaupt kein Anlass, diese Tatsache auch nur mit einem Wort zu erwähnen.

 

Als mit seinem Rechtsmittel unterliegende Partei hat der Beklagte die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht vorliegend dem Wert der Hauptsache; denn das von den Sachverständigen erstellte Gutachten ist dem Beklagten entscheidend nachteilig, weshalb er auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses davon ausgehen muss, mit dem Bestreiten des Vorliegens einer Geschäftsunfähigkeit keinen Erfolg zu haben. Das Interesse des Beklagten daran, dass die abgelehnten Sachverständigen aus dem Verfahren mit der Konsequenz ausscheiden, dass eine erneute Begutachtung erforderlich wird, muss daher mit dem Wert der Hauptsache gleichgesetzt werden (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage, § 3 Rdnr. 16 “Ablehnung”).