AG Kassel, Urteil vom 26.01.2012, Az.:230 Ls – 4663 Js 35742/11
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AG Kassel, Urteil vom 26.01.2012, Az.:230 Ls – 4663 Js 35742/11

In der Strafsache wegen zweifachen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes hat das Amtsgericht Kassel – Jugendschöffengericht als Jugendschutzgericht – in der Sitzung vom 26.01.2012:

für Recht erkannt:

Der Angeklagte ist des zweifachen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in jeweils minder schwerem Fall schuldig. Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt deren Vollstreckung Bewährung ausgesetzt wird. Der Angeklagte hat die Kosen des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften: §§ 176a Abs. II Nr. 1, IV, 53, 56 StGB.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter. Er ist gelernter Informatikkaufmann und ist seit dem 13.06.2001 beim (…) beruflich tätig. Nach eigenen Angaben erzielt er hier ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.200 EUR. Seine Ehefrau ist in Teilzeit als (…) tätig. Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang noch nicht in Erscheinung getreten. In vorliegender Sache befand sich der Angeklagte aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Kassel vom 22.09.2011 vom 23.09.2011 bis zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 04.10.2011 in Untersuchungshaft in der JVA Kassel I.

II.

Folgende Sachverhalte ließen sich feststellen:

1. Am 22.08.2011 hielt sich die am (…) geborene (…) auf Einladung des 33-jährigen Angeklagten zu Besuch in dessen Wohnung in (…), auf. Beide begaben sich in das Schlafzimmer in das dortige Bett, wo der Angeklagte dem Kind zunächst einen Zungenkuss gab, ihr anschließend T-Shirt und BH hochschob und ihr an die Brust fasste. Dann zog er ihr Jeans und Slip aus und streichelte sie an der Scheide, wobei er auch den Finger einführte. Zudem führte er bei dem Mädchen den Oralverkehr aus.

Im weiteren Verlauf zog er seine eigene Hose ebenfalls aus und forderte (…) auf, ihn manuell zu befriedigen. Das Kind kam seinem Verlangen bis zum Samenerguss nach.

2. Am 04.09.2011 forderte der Angeklagte die Zeugin per SMS auf, ihn erneut zu besuchen, weil er jetzt allein sei. Die Zeugin kam der Aufforderung in den frühen Abendstunden nach, wo sich beide in das Gästezimmer begaben. Dort gab er ihr einen Zungenkuss und zog sie aus Auf dem Bett leckte er sie an der Scheide und führte dort auch einen Finger ein. Anschließend zog er seine Hose herunter und forderte das Kind mit den Worten „Blas mir mal einen!” ebenfalls zum Oralverkehr auf. Die Zeugin tat dieses, bis der Angeklagte ihr in den Mund ejakulierte. Der Angeklagte wusste, dass (..)  erst 13 Jahre alt ist und forderte sie deshalb auch auf, niemandem von den Geschehnissen zu erzählen, weil er sonst „in den Knast» kommen könne. Der Angeklagte hat diese Sachverhalte ohne Beschönigungen eingeräumt. Das umfassende Geständnis findet darüber hinaus Bestätigung in den Angaben der Geschädigten und Nebenklägerin (…).

III.

Der Angeklagte hat sich damit in beiden Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der (…) schuldig gemacht. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um minderschwere Falle gemäß §176 a Abs. 4, 2. Alternative StGB. Ausschlaggebend hierfür sind im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte:

Der sexuelle Kontakt zwischen dem Angeklagten und der (…) erfolgte in beiden Fällen einvernehmlich. Die gegenseitigen Handlungen erfolgten insoweit mit dem Willen der Nebenklägerin. Zu keinem Zeitpunkt wurde seitens des Angeklagten ein irgendwie gearteter Zwang auf die Geschädigte ausgeübt. Diese war darüber hinaus zu den Tatzeiten 13 Jahre alt und damit nahe an der Grenze zur Vollendung des 14. Lebensjahres, die für die Tatbestandlichkeit der Norm ausschlaggebend ist. In der Sache selbst kam es darüber hinaus zu keinem Zeitpunkt zu einem Eindringen mit dem Penis in die Vagina.

IV.

Der Strafrahmen des §176 aAbs. 2und Abs. 4, 2. Alternative StGB beträgt Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren. Bei der konkreten Strafzumessung hat sich das Gericht im Wesentlichen von folgenden überlegungen leiten lassen:

Der Angeklagte hat die Taten ohne Beschönigungen geständig eingeräumt. Er hat das Tatverharten zu keinem Zeitpunk, in Abrede gestellt. Er hat in der Hauptverhandlung ein aufrichtiges Bedauern erkennen lassen. Die sexuellen Kontakte erfolgten in beiden Fällen einvernehmlich Ausweislich des verlesenen Tagebuchauszuges der Geschädigten empfand diese die tatbestandlichen Handlungen durchaus positiv und in keinem Fall als Übergriff. Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Tatvorwürfe hat der Angeklagte eine zivilrechtliche Unterlassungserklärung abgegeben mit dem Inhalt, dass er sich der Nebenklägerin nicht mehr nähern werde. Des Weiteren hat er aus eigener Veranlassung angeboten, der Nebenklägerin einen Betrag in’ Hohe von 5.000 EUR als Wiedergutmachung zukommen zu lassen. Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Zulasten des Angeklagten muss sich auswirken, dass das Tatgeschehen von nicht unerheblicher Intensität gewesen ist, wenngleich ein Eindringen mit dem Penis in die Vagina der Nebenklägerin nicht erfolgt ist. Beide Taten erfolgten zwar mit dem Willen der Nebenklägerin und damit einvernehmlich. Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung glaubhaft dargelegt, dass sie sich nunmehr, nachdem das Geschehen einige Zeit zurück liegt und sie intensiv darüber nachgedacht hat, vom Angeklagten „benutzt” fühlt und die Sache sie doch zunehmend belastet. Die Dimension des Ganzen und die Auswirkungen auf ihre weitere persönliche Entwicklung hat die noch minderjährige Zeugin offensichtlich in den Tatsituationen nicht absehen können. Unter Würdigung aller für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände hält das Gericht für beide Taten Einzelstrafen von einem Jahr und 6 Monaten Freiheitsstrafe für Tat- und Schuld angemessen. Unter nochmaliger Würdigung aller Umstände hat das Gericht aus diesen beiden Einzelstrafen eine tat- und schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren festgesetzt.

Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Angeklagten ist eine positive Sozialprognose zu stellen und es liegen in seiner Person besondere Umstände vor, die es erwarten lassen, dass er sich zukünftig straffrei verhalten wird. Er hat insbesondere die Taten von Anfang an ohne Beschönigungen geständig eingeräumt, er hat sich bei der Geschädigten entschuldigt und ein aufrichtiges Bedauern erkennen lassen. Darüber hinaus saß er einige Tage in Untersuchungshaft, was ihn augenscheinlich nachhaltig beeindruckt hat. Der Angeklagte ist damit als besonders haftempfindlich einzustufen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPo.

Richter Am Amtsgericht