Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 04.08.2014, Az. 3 Ta 106/14
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Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 04.08.2014, Az. 3 Ta 106/14

(…)

 

gegen

 

(…)

 

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 3,

ohne mündliche Verhandlung am 4. August 2014

durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Schäffer als Vorsitzende

beschlossen:

 

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des

Arbeitsgerichts Kassel vom 23. Januar 2014 – Az: 3 Ca 116/13 – teilweise abgeändert und dem Kläger

für den 1. Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Jens Moldenhauer ohne Ratenzahlung auch hinsichtlich des Klageantrages zu 1) (Schriftsatz vom 18. September 2013) bewilligt.

 

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

 

Der Beschwerdeführer hat die auf die Hälfte ermäßigte Gebühr für das Beschwerdeverfahren zu tragen.

 

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

 

I.) Im vorliegenden Verfahren stritten die Parteien zuletzt um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung, nämlich Bewilligung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, einen Fortbestehensantrag, Beschäftigung und Zahlungsansprüche.

Der Kläger ist seit Oktober 1991 bei der Beklagten beschäftigt, auf sein Arbeitsverhältnis ist der TVöD anwendbar. Mit Bescheid vom 17. Januar 2012 wurde ihm ein GdB von 40 zuerkannt (Bl. 13 d. A.). Mit Bescheid vom 14. März 2013 (Bl. 14 d. A.) wurde er zum 10. Dezember 2012 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Mit Bescheid vom 1. März 2013 der Deutschen Rentenversicherung, welcher dem Kläger am 11. März 2013 zuging, wurde ihm Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gewährt. In dem Bescheid heißt es: „Die Rente ist ab 01.01.2013 (Rentenbeginn) nicht zu zahlen. Der Anspruch besteht längstens bis zum 31.01.2018. (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze)”, wegen der Einzelheiten des Bescheides wird auf Bl. 70 d. A. und Bl. (B) 56 ff Bezug genommen. Diesen Bescheid hat der Kläger der Beklagten am 22. März 2013 zugeleitet und seine Weiterbeschäftigung gemäß § 33 TVöD verlangt. Mit Bescheid vom 26. April 2013 der Deutschen Rentenversicherung, welcher dem Kläger am 30. April 2013 zuging, wurde der bisherige Bescheid hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. März 2013 aufgehoben und die monatliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung neu berechnet und ab 1. März 2013 auf 459,08 € und ab 1. Mai 2013 auf 229,54 € festgesetzt (Bl. 72 ff d. A.).

Mit am 22. März 2013 beim Arbeitsgericht Kassel eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger sich ua. gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Befristung nach § 33 TVöD gewendet und Prozesskostenhilfe beantragt. Zuletzt hat er mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 18. September 2013 (Bl. 106ff d. A.), unter gleichzeitiger Beantragung von Prozesskostenhilfe, u.a. folgende Anträge angekündigt:

1.) Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnisses nicht durch die Befristung in § 33 TVöD oder vergleichbare tarifliche Regelungen infolge der Zustellung des Rentenbescheides vom 1. März 2013 am 11. März 2013 geendet hat,

2.) Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnisses auch nicht durch die Befristung in § 33 TVöD oder vergleichbare tarifliche Regelungen infolge der Zustellung des Rentenbescheides vom 26. April 2013 am 30. April 2013 geendet hat,

3.) Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnisses auch nicht durch weitere Beendigungstatbestände geendet hat, sondern fortbesteht,

4.) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Verwertung und Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse zu beschäftigen (§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) und darüber hinaus unter

5.) unter den Ziffern 5a) bis 5i) gegenüber der Beklagten für mehrere Zeiträume Zahlungsansprüche geltend gemacht (Bl. 107ff d. A.)

 

Der Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich vom 16. Januar 2014 (Bl. 151 d. A.). Darin einigten sich die Parteien darauf, dass die Beklagte für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Folge der Bewilligung von Altersrente an den Kläger eine Abfindung zahlt.

Durch Beschluss vom 23. Januar 2014 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Anträge zu 4) bis 5e), für die Anträge ab 5f) mit der Maßgabe, dass sich die Bewilligung auf monatliche Zahlungsbeträge von 1.254,00 € beschränkt, und ordnete ihm den Klägervertreter bei. Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. Januar 2014 zugestellt.

Der hiergegen mit Schriftsatz vom 27. Februar 2014 erhobenen und am selben Tag bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde hat das Arbeitsgericht im Ergebnis nicht abgeholfen. Es hat die Klageanträge zu 1) und 2) als mutwillig i.S.d. § 114 Satz 1 ZPO angesehen. Da dem Kläger nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers (nur) eine Rente auf Zeit bewilligt worden sei, ergebe sich kein Hinweis auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses entgegen der tariflichen Bestimmungen.

Zur Begründung der sofortigen Beschwerde hat der Kläger mitgeteilt, dass er einerseits die Präklusionsfrist der §§ 17 TzBfG, 5 – 7 KSchG zu beachten habe und andererseits der Wortlaut des Bescheides vom 1. März 2013 nicht ganz klar sei. Deshalb müsse bereits vorsichtshalber Feststellungsklage erhoben werden. Dem Feststellungsinteresse des Klägers stehe nicht entgegen, dass die Beklagte sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses berufen habe. Schließlich habe die Beklagte die Weiterbeschäftigung des Klägers verweigert.

II.) Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und fristgerecht eingelegt worden, §§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bestehen keine Bedenken. In der Sache ist die sofortige Beschwerde teilweise begründet und teilweise unbegründet.

Nach § 114 ZPO ist einer Partei, die die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann Prozesskostenhilfe dann zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage, war dem Kläger Prozesskostenhilfe hinsichtlich des Klageantrages zu 1) zu bewilligen und der Antrag im Übrigen hinsichtlich der Klageanträge zu 2) und 3) mangels Erfolgsaussichten zurückzuweisen.

1. Begründet ist die sofortige Beschwerde, soweit der Kläger mit dem Antrag zu 1) die Feststellung begehrt hat, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnisses nicht durch die Befristung in § 33 TVöD oder vergleichbare tarifliche Regelungen infolge der Zustellung des Rentenbescheides vom 1. März 2013 am 11. März 2013 geendet hat. Insoweit war der Klage die Erfolgsaussicht nicht zu versagen.

a) Nach dem für das Prozesskostenhilfeverfahren geltenden Maßstab zur summarischen Bewertung der Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Klage soll dieser Prüfungsmaßstab nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Verfahren vor zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Denn dieses Verfahren dient dazu, der unbemittelten Partei den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten im Hinblick auf den grundgesetzlich geschützten Rechtsschutz zugänglich zu machen. Da jedoch keine völlige Gleichstellung geboten ist, kann die Gewährung von Prozesskostenhilfe an die Bewertung der Erfolgsaussicht geknüpft werden. Diese Erfolgsaussichten müssen groß genug sein, um die staatliche Hilfe für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu rechtfertigen. Entsprechend ist die hinreichende Erfolgsaussicht zu verneinen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgsaussichten aber nur entfernt gegeben sind. In Bezug auf Rechtsfragen muss der Standpunkt der rechtsuchenden Partei zumindest vertretbar sein. Entsprechend darf Prozesskostenhilfe nicht versagt werden, wenn entscheidungserhebliche schwierige Rechtsfragen bislang nicht hinreichend geklärt worden sind, insbesondere eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu noch nicht vorliegt(vgl. z.B. Thomas-Putzo, ZPO, §114, Rn. 5 mit weiteren Nachweisen).

b) Nach diesen Maßstäben ist die Erfolgsaussicht für den Klageantrag zu 1) gegeben.

Es kann dahinstehen, dass vorliegend die dreiwöchige Klagefrist nach §§21, 17 Satz 1 TzBfG noch nicht Lauf gesetzt wurde, weil die Beklagte dem Kläger unstreitig bislang keine Beendigungsmitteilung übersandt hat. Grundsätzlich beginnt der Lauf der Drei-Wochen-Frist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit Zugang der Beendigungsmitteilung (vgl. grundlegend zum Lauf der Drei-Wochen-Frist BAG 6. April 2011 – 7 AZR 704/09 – Rn 20 ff(22), BAGE 137, 292 = DB 2011, 1756). Ebenso kann dahinstehen, ob die nach § 92 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes vorlag. Denn jedenfalls fehlt bislang eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage, ob die in § 33 Abs. 2, 3 TVöD-V geregelte auflösende Bedingung bei unbefristeter teilweiser Erwerbsminderung unwirksam ist. Dies hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg für den Fall einer Teilzeitkraft angenommen hat, die nach den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers ihre bisherige Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz im bisherigem Umfang ausüben kann (LAG Baden-Württemberg 16. Juli 2012 – 10 Sa 8/12 – derzeit anhängig beim BAG unter 7 AZR 771/12, zitiert nach Juris). Anders als vom Arbeitsgericht und wohl auch der Beklagten angenommen, handelt es sich bei der dem Kläger mit Bescheid vom 11. März 2013 beginnend am 1. Januar 2013 „längstens bis zum 31. Januar 2018 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze)” zuerkannten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung um keine befristete, sondern um eine unbefristete Rente. Maßgeblich ist insoweit, dass diese Form der Rentengewährung als unbefristet im Sinne des § 36 Abs. 2 TvöD-V gilt. Als unbefristet in diesem Sinne gilt eine Rente, die nach § 43 Abs. 2 SGB VI wegen voller Erwerbsminderung bis zum Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze nach §§ 35-40 SGB VI gewährt ist. Auf Zeit wird dagegen eine Rente entsprechend § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB VI bewilligt, wenn zu erwarten ist, dass der Beschäftigte seine volle Erwerbsfähigkeit zurückerlangen wird. Dauerhaft steht eine Erwerbsminderungsrente zu, wenn sie dem Arbeitnehmer solange zugesprochen wird, bis dieser das gesetzlich festgelegte Alter für den Bezug einer Regelaltersgrenze vollendet hat. Bei der in den Rentenbescheiden der Deutschen Rentenversicherung üblichen Formulierung „die Rente beginnt am … sie wird längstens bis zum … (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) gezahlt” handelt es sich um eine unbefristete Erwerbsminderungsrente im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 TVöD und nicht lediglich um eine Rente auf Zeit nach § 33 Abs. 2 Satz 5 und 6 TVöD (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/ Langenbring TvöD Kommentar, Aktualisierung 1/2011, §33 Rn. 187). Entsprechend hat auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 1. Oktober 2012 zu der inhaltsgleichen Regelung im Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) in 36 Abs. 2 TV-BA ausgeführt: „Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 5. November 2009 bis zum 31. Mai 2031 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) wegen voller Erwerbsminderung zuerkannten Rente um keine befristete, sondern um eine unbefristete Rente handelt. Als unbefristet im Sinne des § 36 Abs. 2 TV-BA gilt eine Rente, die nach § 43 Abs. 2 SGB VI wegen voller Erwerbsminderung bis zum Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze nach §§ 35-40 SGB VI gewährt ist. Auf Zeit wird dagegen eine Rente nach §102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SGB VI bewilligt, wenn zu erwarten ist, dass der Beschäftigte seine volle Erwerbsfähigkeit zurückerlangen wird. In diesem Fall ruht das Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des Tarifvertrages” (so wörtlich BAG 10. Oktober 2012 – 7AZR 602/11 – Rn. 19, NZA 2013, 344). § 36 Abs. 2 TV-BA ist mit § 33 Abs. 2 TVöD-V inhaltsgleich, die Sätze 1 und 5 der Vorschriften sind jeweils identisch, so dass die zu § 36 Abs. 2TV-BA ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar ist.

2. Dagegen fehlt bei summarischer Prüfung die hinreichende Erfolgsaussicht hinsichtlich der Klageanträge zu 2) und 3). Der Klageantrag zu 2) bezieht sich auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses durch den Rentenbescheid vom 26. April 2013. Dieser Bescheid kommt für ein Ende des Arbeitsverhältnisses unter keinem Gesichtspunkt in Betracht, weil damit lediglich die Rentenhöhe der mit Bescheid vom 1. März 2013 bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geändert wird. Der Klageantrag zu 3) ist unzulässig, weil der Kläger zum Bestehen des besonderen Feststellungsinteresses für diesen Antrag nach § 256 ZPO nicht vorgetragen hat.

3.  Weil der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde jedenfalls teilweise erfolgreich war, entspricht es billigem Ermessen, die von ihm wegen ihres Unterliegens im Übrigen zu tragende Gebühr für das Beschwerdeverfahren auf die Hälfte zu ermäßigen (Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis)). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nach 127 Abs. 4 ZPO nicht in Betracht.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Ein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, §§ 78, 72 Abs. 2 ArbGG.

 

Die Vorsitzende