OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2013, Az.: 59 Ls – 200 Js 626/11 – 86/12
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OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2013, Az.: 59 Ls – 200 Js 626/11 – 86/12

Strafsache

Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwelm – Schöffengericht – vom 11. Dezember 2012 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. August 2013 durch (…) einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Schwelm zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Schwelm hat den Angeklagten mit Urteil vom 11. Dezember 2012 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen dieses Urteils habe der Angeklagte am 21. Dezember 2010 telefonisch bei dem gesondert verfolgten (…) 500 Gramm Amphetamin bestellt, sei von seinem Wohnort (…) angereist und habe es bei dem (…) in (…) in Empfang genommen, um es gewinnbringend weiter zu veräußern.

Mit am 18. Dezember 2012 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage hat der Angeklagte gegen das am 11. Dezember 2012 verkündete Urteil „Berufung” eingelegt. Das Urteil ist dem Verteidiger am 21. Januar 2013 zugestellt worden. Mit am 18. Februar 2013 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage ist der Angeklagte zum Rechtsmittel der Revision übergegangen und hat diese unter näheren Ausführungen mit der Verletzung materiellen und formellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat mit Zuschrift vom 16. Mai 2013 beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und zurückzuverweisen sowie die Revision im Übrigen als unbegründet zu verwerfen.

Die zulässige Sprungrevision hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Das Urteil ist in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft.

I.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nämlich 500 Gramm Amphetamin, die er bei dem gesondert verfolgten (…) erworben habe, Handel getrieben habe, beruhen auf einer lücken- und fehlerhaften Beweiswürdigung und sind daher keine taugliche Grundlage für den Schuldspruch des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG.

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998-2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.Nachw.). Insbesondere sind Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979-4 StR 441/78, BGHSt 29, 18,20). Das Urteil muss er kennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 m.w.Nachw.). Das Gesamtbild der feststellbaren, mitgeteilten und intersubjetiv vermittelbaren Tatumstände muss ein rational einleuchtende und so hohe Wahrscheinlichkeit der tatrichterlichen Feststellungen begründen, dass diese als vertretbar und nachvollziehbar erscheinen (BGH, Urteil vom 19. Januar 1999-1 StR 171/98, NJW 1999, 1562).

Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

a)

Es ist aufgrund der Beweiswürdigung des Amtsgerichts schon nicht nachvollziehbar, dass es der Angeklagte war, der am 21. Dezember 2010 bei dem gesondert verfolgten (…) 500 Gramm Amphetamin bestellt hat.

Die von dem Amtsgericht hierfür angeführten Indizien,

– dass der Anrufer bei (…) mit russischem Akzent gesprochen habe,

– dass der Anrufer erklärt habe, er brauche zwei Stunden Fahrzeit für ein Treffen, was der Fahrzeit mit einem Pkw zwischen der Wohnung des Angeklagten und des gesondert verfolgten (…) entspricht, und

– dass der (…) in einem Telefonat mit einem Dritten den Namen (…) erwähnt habe und die Stimme des „Anschlussnutzers (…)” und des (…) identisch seien, lassen den vom Amtsgericht gezogenen Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten nicht zu.

Dem erstgenannten Indiz, dass der Anrufer bei (…) mit russischem Akzent gesprochen habe, kommt vorliegend schon deshalb keine indizielle Beweiswirkung für eine Täterschaft des Angeklagten zu, weil dem angefochtenen Urteil weder in den getroffenen Feststellungen noch an anderer Stelle zu entnehmen ist, dass der Angeklagte mit russischem Akzent spricht.

Dies ergibt sich auch nicht ohne weiteres aus dem Umstand, dass der Angeklagte in (…) geboren ist. Denn er ist bereits im Alter von (…) nach Deutschland gekommen, befindet sich also nunmehr seit (…) Jahren in diesem Land, so dass ohne entsprechende Feststellungen des Amtsgerichts nicht offensichtlich ist, dass er einen Akzent besitzt.

Das weiter von dem Amtsgericht angeführte Indiz, dass der (…) in einem Telefonat mit einem Dritten den Namen (…) erwähnt habe und die Stimme des „Anschlussnutzers (…)” und des (…) identisch seien, ist schlicht unverständlich. Es bleibt völlig unklar, was es mit der Person des (…) auf sich hat und in welchen Zusammenhang er zu dem dem Angeklagten gemachten Tatvorwurf steht.

Letztlich bleibt als einziges den Angeklagten belastendes Indiz, dass der Anrufer er klärt habe, er brauche zwei Stunden Fahrzeit für ein Treffen, was der Fahrzeit mit einem Pkw zwischen der Wohnung des Angeklagten und des gesondert verfolgten (…) entspricht. Allerdings ist dieses Indiz alleine nicht geeignet, den Schluss auf eine Identität des Angeklagten mit dem Anrufer mit für eine Verurteilung hinreichen der Sicherheit zu begründen. Es lässt allenfalls eine vage Vermutung hinsichtlich der Identität des Angeklagten mit dem Anrufer zu.

b)

Lückenhaft ist die Beweiswürdigung weiterhin hinsichtlich der Feststellung des Tatbestandsmerkmals des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

Zwar wäre die Beweiswürdigung nicht deswegen zu beanstanden, weil das Amtsgericht allein aus der Menge von 500 Gramm Amphetamingemisch darauf geschlossen hat, dass das Rauschgift zum Weiterverkauf und nicht zum Eigenkonsum bestimmt war. Denn bei Zugrundelegung des am Markt mindestens vorhandenen Wirkstoffgehalts von 5 % ergibt die Menge von 500 Gramm Gemisch jedenfalls 500 Dosen zu 50 Milligramm Wirkstoff (vgl. Patzak, a.a.O., § 29a BtMG, Rn. 59). Bei einem Umfang von 500 Einzeldosen ist der Rückschluss auf eine Weiterverkaufsabsicht nicht zu beanstanden.

Die Beweiswürdigung ist jedoch insoweit lückenhaft, als das Amtsgericht die Art des erworbenen Rauschgifts als Amphetamin festgestellt hat.

Insoweit stützt sich das Amtsgericht auf zwei Indizien: den Umstand, dass der (…) auch mit Amphetamin handelte, und den Umstand, dass bei dem Angeklagten am 10. Juni 2011 Teigklumpen mit Amphetaminanhaftungen aufgefunden worden sind.

Das erste Indiz ist aber schon deswegen nur von eingeschränktem Erkenntniswert, weil das Rauschmittel Amphetamin danach nur eines von verschiedenen Rauschmitteln ist, mit denen der (…) Handel trieb. Vor allem aber wird die Feststellung vom Handeltreiben des (…) (auch) mit Amphetamin als gerichtsbekannt angeführt, ohne darzustellen, woher und in welchem näheren Zusammenhang das Gericht diese Kenntnis gewonnen hat. Dies ist rechtsfehlerhaft lückenhaft.

Das damit allein verbleibende zweite Indiz kann die Feststellung der Art des Rauschmittels nicht tragen. Denn das Gericht geht ersichtlich selbst davon aus, dass die im Juni 2011 aufgefundenen  Amphetaminreste nicht aus dem Erwerb vom 21. Dezember 2010 stammen.

Denn insoweit ist das Amtsgericht nach § 154 StPO und nicht etwa nach § 154a StPO verfahren, hat also unterschiedliche prozessuale  Taten angenommen.  Außerdem liegen zwischen dem hier in Rede stehenden Erwerb und dem Funddatum fast sechs Monate. Aus dem Umstand, dass positiv auf Amphetamin reagierende Teigklumpen gefunden worden sind, lässt sich deshalb nicht sicher schließen, dass der Angeklagte von dem (…) zum Tatzeitpunkt (ebenfalls) Amphetamin erworben hat.

c)

Schließlich ist nicht nachvollziehbar, worauf das Amtsgericht die Feststellung gründet, dass die bestellte Menge Rauschgift auch tatsächlich geliefert wurde. Ausführungen hierzu fehlen vollständig. Wie oben bereits ausgeführt, geht das Amtsgericht auch ersichtlich davon aus, dass die im Juni 2011 aufgefundenen Amphetaminreste nicht aus dem Erwerb vom 21. Dezember 2010 stammen. Die Frage der tatsächlichen Lieferung ist zwar für die Bejahung des Tatbestandsmerkmals des Handeltreibens nicht erheblich, weil insoweit bereits das festgestellte bloße Erwerbsgeschäft zum Zweck der Weiterveräußerung genügt. Für die Strafzumessung ist es jedoch von Bedeutung, ob der Angeklagte auch tatsächlich in den Besitz des Rauschgifts gelangt ist. Die aufgezeigten Mängel der Beweiswürdigung führen dazu, dass der Schuldspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben kann.

 

II.

Auch der Rechtsfolgenausspruch lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten  erkennen.

a)

So fehlen konkrete Darlegungen dazu, welchen Wirkstoffgehalt das Amtsgericht dem Angeklagten letztlich zur Last legt. Auch wenn – wie wohl hier – Feststellungen zum Wirkstoffgehalt nicht mehr getroffen werden können, ist in den Urteilsgründen anzugeben, welchen Wirkstoffgehalt das Gericht unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo bei der Bestimmung des Maßes der persönlichen Schuld angenommen hat (Patzak, a.a.O., § 29 BtMG, Teil 4, Rn. 488, § 29a BtMG, Rn. 194).

b)

Zudem wird nicht erörtert, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG in Betracht kommt.

c)

Des Weiteren setzen sich die Strafzumessungserwägungen nicht mit allen für die Straffrage relevanten Umständen auseinander. So fehlen Erwägungen dazu, dass der Angeklagte nicht einschlägig vorbestraft ist und er die letzte abgeurteilte Tat am 7. August 2005 begangen hatte, sie im hier in Rede stehenden Tatzeitpunkt also mehr als fünf Jahre zurücklag.

d)

Auch sind die Erwägungen zur Frage einer Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB lückenhaft. Zwar wird ausgeführt, dass der Angeklagte in der Vergangenheit bereits einmal eine Bewährungschance erhalten habe.

Diese hatte er seinerzeit aber gerade genutzt und war innerhalb der Bewährungszeit nicht wieder straffällig geworden, weshalb die mit Urteil des Landgerichts Hagen vom 6. September 2006 verhängte Freiheitsstrafe mit Wirkung vom 14. Dezember 2009 erlassen worden war.

 

III.

Wegen der aufgezeigten Mängel war das angefochtene Urteil auf die Revision des Angeklagten insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Schwelm zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückzuverweisen (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO), ohne dass es noch auf die weiter erhobenen Verfahrensrügen ankam

 

 

Anmerkungen zum Verfahren

Revision führt zum Erfolg.

Mandant wurde nach mehr als dreijähriger Verfahrensdauer vom Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln freigesprochen.

 

Prozessuale Vorgeschichte:

Durch die Staatsanwaltschaft Hagen ist gegen den Mandanten seit März 2011 ein Ermittlungsverfahren betrieben worden wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Amphetaminen) in nicht geringer Menge. Zum einen war ihm vorgeworfen worden, mit einer Einzelmenge von 500 Gramm Amphetamin Handel getrieben zu haben. In einem weiteren Vorwurf war er bezichtigt worden, über einen Backteiggemisch von 750 Gramm verfügt zu haben, das positiv auf Amphetamin getestet worden sei. Auch diese Menge sei zum Weiterverkauf bestimmt gewesen.

1 ½ Jahre später erfolgte die Anklage zum Amtsgericht Schwelm (NRW). Das Amtsgericht Schwelm – Schöffengericht – hatte sodann den Angeklagten im Dezember 2012 in beiden Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten ohne Bewährung verurteilt.

Seitens des Verteidigers, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Knuth Pfeiffer, Kassel, erfolgte daraufhin die Einlegung einer Sprungrevision, die zur kompletten Aufhebung des Urteils der ersten Instanz führte.

 

Der Beschluss des OLG Hamm

Mit Beschluss des zweiten Strafsenats des OLG Hamm vom 15.08.2013, Az.: III-2 RVs 27/13 war das erstinstanzliche Urteil insgesamt aufgehoben worden. Dabei hatte das OLG gleichermaßen wie die Sprungrevision eine Fülle von Verfahrensfehlern, Beweiswürdigungsfehler und Fehler bei den Strafzumessungserwägungen gerügt.

Im Einzelnen hat der zweite Strafsenat folgendes festgestellt:

– Die vom AG getroffenen Feststellungen beruhen auf einer lücken- und fehlerhaften Beweiswürdigung und sind daher keine taugliche Grundlage für den Schuldspruch.

– Das AG war fehlerhafterweise davon ausgegangen, dass der Angeklagte angeblich mir russischem Akzent bei der telefonischen Verabredung des Deals gesprochen habe, ohne dies einer konkreten Beweisaufnahme zu geführt zu haben.

– Das AG hat fehlerhafterweise das gehandelte Rauschgift als Handeltreiben mit Amphetaminen festgestellt, obwohl dies konkret sich so aus der telefonischen Überwachung nicht ergeben habe. Zudem sei der mutmaßliche Drogenlieferant als Lieferant verschiedenster Rauschmittel bekannt.

– Das AG habe seine Kenntnisse über den angeblichen Drogenlieferanten „gerichtsbekannt“ vorausgesetzt, ohne die Verfahrensbeteiligten informiert zu haben, aus welchen Quellen die Kenntnisse des AG stammen.

– Das OLG hat ferner bemängelt, dass das AG nicht konkret begründet habe, inwieweit die angeblich bestellte Menge auch tatsächlich geliefert worden sei.

– Fehlerhafterweise habe das AG auch keine Feststellungen über den Wirkstoffgehalt des Rauschgifts getroffen.

– Fehlerhafterweise habe das AG nicht geprüft, inwieweit ein minderschwerer Fall hätte in Betracht kommen können.

–  Fehlerhafterweise habe sich das AG auch nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte gerade nicht in Drogensachen einschlägig vorbestraft             gewesen sei.

– Schließlich hat das OLG die Fehlerhaftigkeit der Prüfung der Voraussetzungen einer Bewährungsstrafe gerügt.

 

Der Folgeprozess vor dem AG Schwelm

Im Februar 2014 kam es zur erneuten Verhandlung vor dem AG – Schöffengericht – Schwelm mit neuer Gerichtsbesetzung. Die Vorsitzende des Schöffengerichtes hielt es nicht für angebracht, die Entscheidung des OLG Hamm im Rahmen des bisherigen Prozessvortrages vorzutragen (ein weiterer Verfahrensfehler).

Da ein Polizeizeuge krankheitsbedingt nicht erschienen war, wurde die HVT erneut ausgesetzt.

Am 02.09.2014 fand erneut vor dem AG Schwelm – Schöffengericht – ein weiterer Prozess gegen den Angeklagten statt, wieder mit vollständig neuer Gerichtsbesetzung. Der Angeklagte wurde vollständig freigesprochen, allerdings verbunden mit der Anmerkung des Vorsitzenden in der Urteilsbegründung, dass die Wortwahl der Richter des Oberlandesgerichts in ihrem aufhebenden Beschluss „unangemessen gewesen sei“.

 

Kommentar

Das normale Rechtsmittel gegen das Urteil eines Amtsgerichts ist die Berufung. Wenn seitens der Verteidigung das seltene Rechtsmittel der Sprungrevision gewählt wird, so bedeutet dies in der Regel ein erhebliches prozessuales Risiko für den Angeklagten. Geht diese nämlich verloren, verfügt der Angeklagte über kein weiteres Rechtsmittel mehr. Vorliegend war es so, dass sich Rechtsanwalt Pfeiffer aufgrund der miserableren Urteilsbegründung des Amtsgerichts jedoch seiner Sache sicher war.

Was die Reaktion des zuletzt tätigen Richters am AG Schwelm auf den Beschluss des OLG Hamm angeht, so ist einmal mehr deutlich geworden, dass das AG die Entscheidung des OLG „immer noch nicht verdaut“ hat. Anders kann der wenig souveräne Kommentar des Richters nicht verstanden werden.

 

Noch eine Skurrilität am Rande

Wie in einer positiven Revisionsentscheidung gesetzlich vorgeschrieben, hatte das OLG die Sache an eine andere Abteilung des AG Schwelm zurückverwiesen. Dies in die Tat umzusetzen war das AG Schwelm jedoch nicht in der Lage. Mit anderen Worten: Die Folgeverhandlungen nach Aufhebung des Urteils fanden nicht vor einer anderen Abteilung des AG Schwelm statt, sondern vor derselben Abteilung, wenn auch mit anderen Richtern. Dies stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler und einen Grundrechtsverstoß dar, da nämlich der Angeklagte seinem gesetzlichen Richter entzogen worden war (Art. 101 Abs. 1 Satz. 2 GG).

Wäre der Angeklagte also nicht freigesprochen sondern erneut verurteilt worden, wäre die Einlegung einer erneuten Sprungrevision geboten gewesen.