LG Fulda, Beschluss vom 20.08.2014, Az.: 2 Qs 98/14 & 3 VR Js 29/13
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LG Fulda, Beschluss vom 20.08.2014, Az.: 2 Qs 98/14 & 3 VR Js 29/13

In der Beschwerdesache wegen Verstoßes gegen das BtMG pp. hat die 2. Strafkammer – Beschwerdekammer – des Landgerichts Fulda am 18.08.2014

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hünfeld vom 25.06.2014 (Az.: 3 VRJs 29/13) wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Der Betroffene war seit dem 11.11.2013 Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld, nachdem er durch Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Korbach vom 19.07.2012 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Hehlerei unter Einbeziehung der Urteile des Amtsgerichts Korbach vom 15.05.2008 (Az.: 4 Ls 4851 Js 4742/08) und vom 10.12.2008 (Az.: 4 Ls 4651 Js 14822/08) zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren verurteilt und mit Beschluss vom 06.03.2013 die Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt worden war. Das Strafende war auf den 07.05.2014 notiert, sodass sich der Betroffene mittlerweile wieder in Freiheit befindet. Mit Beschluss vom 15.04.2014 begrenzte der als Vollstreckungsleiter zuständige Jugendrichter des Amtsgerichts Hünfeld die kraft Gesetzes eingetretene Führungsaufsicht auf 3 Jahre und gestaltete diese zugleich näher aus. Eine mündliche Anhörung des Betroffenen war vor Erlass des Beschlusses nicht erfolgt.

Gegen den ihm am 22.04.2014 förmlich zugestellten Beschluss vom 15.04.2014 wandte sich der Betroffene mit sofortiger Beschwerde vom 22.04.2014, eingegangen bei Gericht am 24.04.2014. Daraufhin hat die Beschwerdekammer des Landgerichts Fulda mit Beschluss vom 19.05.2014 (Az.: 2 Qs 63/14) den Beschluss desAmtsgerichts Hünfeld vom 15.04.2014 aufgehoben und die Entscheidung damit begründet, dass die gemäß §§ 463 Abs. 3, 454 Abs. 1 StPO notwendige mündliche Anhörung des Betroffenen vor der Entscheidung über die Aufrechterhaltung und Ausgestaltung der Führungsaufsicht nicht erfolgt sei.

Das Amtsgericht Hünfeld hörte daraufhin den Betroffenen mit Anhörungstermin vom 18.06.2014 mündlich an. Mit Beschluss vom 25.06.2014 begrenzte das Amtsgericht Hünfeld die kraft Gesetzes eingetretene Führungsaufsicht auf 3 Jahre und gestaltete diese zugleich näher aus. In den Gründen führte das Amtsgericht Hünfeld aus, dass die Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 1 StGB per Gesetz eingetreten sei und die Voraussetzungen einer Anordnung des Entfallens der Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 2 StGB nicht vorlägen. Dabei verkenne das Gericht nicht,dass der Betroffene – wie vom Verteidiger mit Schreiben vom 05.05.2014 vorgebracht – sich polizeilich gemeldet, eine eigene Wohnung bezogen und sich aus eigenem Antrieb um eine Ausbildungsstelle gekümmert habe. Indes könne der von dem Betroffenen angestrebte „neue Lebensabschnitt” nur mit der zusätzlichen Unterstützung eines Bewährungshelfers im Rahmen der Führungsaufsicht nachhaltig gelingen, welcher evtl. auftretende Schwierigkeiten rechtzeitig erkennen, geeignete Maßnahmen ergreifen und eine geregelte sowie strukturierte Lebensführung nachhaltig gewährleisten könne.

Gegen den Beschluss vom 25.06.2014 wendet sich der Betroffenen mit sofortiger Beschwerde vom 07.07.2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag. Zur Begründung der sofortigen Beschwerde führt der Verteidiger des Betroffenen aus, dass aufgrund der unterbliebenen Zurückverweisung im Beschluss des Landgerichts Fulda vom 19.05.2014 (Az.: 2 Qs 63/14) ein erneuter Beschluss des Amtsgerichts Hünfeld über die Führungsaufsicht mit gleicher Begründung wie im Beschluss vom 15.04.2014 nicht hätte ergehen dürfen. Vielmehr dürfe sich ein erneuter Beschluss nur auf neue Tatsachen stützen. Des Weiteren sei die Führungsaufsicht i.S.v. § 68 f Abs. 1 StGB nicht kraft Gesetzes eingetreten, so dass es der Anordnung der Führungsaufsicht im Tenor der Entscheidung bedurft habe. Schließlich sei die Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 2 StGB aufzuheben gewesen, da eine günstige Legalprognose des Betroffenen bestehe. Diese ergebe sich daraus, dass der Betroffene die Zusage habe, ab dem 20.08.2014 die zwei jährige Berufsfachschule mit dem Ziel der Ausbildung zum Sozialhelfer an dem Berufskolleg (…) des Hochsauerlandkreises zu absolvieren und unmittelbar nach seiner Entlassung seinen Wohnsitz wieder in seiner ehemaligen Wohnung in (…) genommen habe, welche während der Haft des Betroffenen dessen Freundin bewohnt habe. Darüber hinaus sei der Betroffene in der Haft „aufgewacht” und habe seine Probleme erkannt.

 

II.

Die gegen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts gemäß § 68f Abs. 2 StGB i.V.m. § 7 Abs. 1 JGG bzw. § 2 Abs. 2 JGG gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen kann aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses keinen Erfolg haben. Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Das Amtsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen, unter denen das Gericht nach § 68 Abs. 2 StGB i.V.m. § 7 Abs. 1 JGG bzw. § 2 Abs. 2 JGG den Entfall der Führungsaufsicht anordnet, verneint. Eine solche Anordnung hat Ausnahmecharakter, wobei die Anforderungen strenger sind als an das Vorliegen einer günstigen Prognose im Sinne des § 57 Abs. 1 StGB und Zweifel zu Lasten des Betroffenen gehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.04.2012. 3 Ws 297/12; Fischer, StGB. 61. Auflage, § 68f Rn. 9). Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Zwar ist es positiv zu beurteilen, dass der Betroffene sich bereits polizeilich gemeldet und seine Wohnung in (…) wieder bezogen hat sowie insbesondere, dass er sich um eine Ausbildung bemüht hat und zum 20.08.2014 die zweijährige Berufsfachschule mit dem Ziel der Ausbildung zum Sozialhelfer an dem Berufskolleg (…) des Hochsauerlandkreises beginnen kann. Diese Umstände reichen jedoch nicht aus, um in einer Gesamtschau die Anordnung des Entfallens der Führungsaufsicht zu rechtfertigen. Die genannten Umstände sind zwar für sich genommen erfreulich. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Betroffene auch schon vor seiner Inhaftierung seinen festen Wohnsitz an der genannten Adresse in (…) hatte und auch die Beziehung zu seiner Freundin bereits bestand, ohne dass diese Umstände ihn von der Begehung von Straftaten abzuhalten vermochten. Die Wohnsituation und die intakte Beziehung zu seiner Freundin kann daher nicht als ausreichend stabilisierender Faktor herangezogen werden. Hinsichtlich der Ausbildung ist anzumerken, dass der Betroffene zwar eine Zusage für die zwei jährige Berufsfachschule mit dem Ziel der Ausbildung zum Sozialhelfer hat, diese jedoch erst am 20.08.2014 beginnt, so dass der Betroffene diese noch nicht angetreten hat und sich auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorhersehen lässt, ob der Betroffene diese Chance nutzen wird und die Ausbildung zu Ende führt. Darüber hinaus hielt auch eine offene Bewährung den Betroffenen in der Vergangenheit nicht davon ab, weitere Straftaten zu begehen. Es erscheint zwar möglich, dass der Betroffene durch die Eindrücke der Haft geläutert ist. Allein seine diesbezüglichen Beteuerungen genügen jedoch nicht, um eine dem Ausnahmecharakter des § 68 f Abs. 2 StGB genügende, günstige Legalprognose zu treffen. Vielmehr erscheint es geboten, dem noch sehr jungen Betroffenen, für etwaig auftretende Probleme und Schwierigkeiten – sei es im Rahmen der Ausbildung oder privat – eine Person zur Seite zu stellen, die diese Schwierigkeiten und Probleme rechtzeitig erkennt und geeignete Maßnahmen trifft. Dies soll vor allem einem Abgleiten des Betroffenen in den alten Lebenswandel entgegenwirken. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die lange Inhaftierung des Betroffenen zum Zeitpunkt seiner Reifung zum Erwachsenen.

Soweit das Rechtsmittel des Betroffenen als einfache – und, wie seine Auslegung ergibt, unbeschränkt eingelegte – Beschwerde gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 StPO gegen die Anordnung der Dauer der Führungsaufsicht, die Unterstellung unter die Leitung und Aufsicht eines Bewährungshelfers sowie gegen die weiter ergangenen Weisungen gemäß § 68 b StGB zu werten ist, ist die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses gemäß §§ 463 Abs. 2, 553Abs. 2 S. 2 StPO auf die Gesetzmäßigkeit der jeweiligen Maßnahme beschränkt. Sie erstreckt sich also nur darauf, ob die Anordnungen im Gesetz nicht vorgesehen, nicht ausreichend bestimmt, unverhältnismäßig oder sonst die Grenzen des dem Gericht eingeräumten Ermessen überschreiten (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2009, 27). Diese Nachprüfung ergibt, dass die Beschwerde des Betroffenen unbegründet ist.

Die kraft Gesetzes eingetretene Höchstdauer der Führungsaufsicht durfte das Amtsgericht bereits vorab abkürzen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.10.2010, 3Ws752/10). Ermessensfehler bei dieser Entscheidung sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Amtsgericht bei der Festsetzung der Dauer auf 3 Jahre beachtet, dass die Höchstgrenze der Führungsaufsicht im Jugendstrafrecht regelmäßig drei Jahre beträgt (Eisenberg, JGG, 16. Auflage. § 7 Rn. 68). ohne dass es auf das Alter im Zeitpunkt der Entlassung ankommt. Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Wahrung des Erziehungsauftrags (§2 Abs 1 JGG) bei der Ausübung des Ermessens (vgl. BVerfG. NStZ-RR 08. 217).

Die Weisung, „sich unverzüglich bei seinem Bewährungshelfer zu melden” (Ziffer a) des Beschlusses) ist nicht gesetzeswidrig. Sie wird von § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StGB erfasst und ist deshalb strafbewehrt (Fischer, StGB, 61. Auflage, § 68 b Rn. 9); sie genügt dem Bestimmtheitsgebot und ist auch zumutbar (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.05.2012, 3 Ws 405/12). Die weitergehende Weisung „sich im ersten Jahr der Führungsaufsicht mindestens einmal monatlich persönlich oder fernmündlich während der Sprechstunde des zuständigen Bewährungshelfers zu melden, wobei zwischen zwei Treffen ein Abstand von wenigstens zehn Tagen zu liegen hat” (Ziffer a) des Beschlusses) ist in § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StGB ebenfalls vorgesehen und genügt sowohl dem Wortlaut („zu bestimmten Zeiten”) der Vorschrift, als auch dem Bestimmtheitsgebot (§ 68b Abs. 1 S. 2 StGB) durch nähere terminliche Bestimmung des Meldeturnus (OLG Frank-‘führt, Beschluss vom 29.05.2012, 3 Ws 405/12). Auch die Weisung, „die vom Bewährungshelfer bestimmten Termine einzuhalten” (Ziffer b) des Beschüsses) entspricht § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 StGB.

Zwar ist es nicht möglich, die Rahmenbedingungen der Meldepflicht ins Ermessen des Bewährungshelfers zu stellen. Vielmehr sind diese vom Gericht festzulegen. Dies hier jedoch in Ziffer a) des Beschüsses geschehen. Die Festlegung des konkreten Termins, worauf sich Ziffer b) des Beschlusses bezieht, kann jedoch auf den Bewährungshelfer übertragen werden (Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage, § 68b Rn. 12).

Die Weisung „jeden Wohnsitzwechsel unaufgefordert dem Bewährungshelfer sowie der Führungsaufsichtsstelle anzuzeigen” (Ziffer c) des Beschlusses), findet ihre Grundlage in § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 8 StGB soweit es die Anzeigepflicht bei der Führungsaufsichtsstelle betrifft. Die weitergehende Weisung, den Wohnsitzwechsel auch dem Bewährungshelfer anzuzeigen, lässt sich hingegen auf§ 68b Abs. 2 S. 1 StGB stützen (Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage, § 68b Rn. 13). Die Weisung ist insoweit nicht strafbewehrt.

Die Weisung „seine Ausbildung zum Sozialhelfer im Rahmen der zweijährigen Berufsfachschule bei dem Berufskolleg (…) am Mittwoch, den 20.08.2014 um 7.45 Uhr anzutreten” sowie „den Unterricht regelmäßig zu besuchen und die Ausbildung aus eigener Veranlassung nicht abzubrechen” findet ihre Grundlage in§ 68b Abs. 2 S. 1 StGB. Sie ist nicht strafbewehrt.

Nach den vorstehenden Ausführungen ist auch der Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht zu beanstanden. Mit der Entlassung des Betroffenen aus dem Strafvollzug ist Führungsaufsicht i.S.v. § 68f Abs. 1 S. 1 StGB i.V.m. §§ 2 Abs. 2, 7 Abs. 1 JGG von Gesetzes wegen eingetreten, zumal die dort genannten gesetzlichen Voraussetzungen auch im Jugendstrafrecht für den Fall der vollständigen Vollstreckung einer mindestens 2-jährigen einheitlichen Jugendstrafe wegen einer vorsätzlichen Straftat entsprechende Geltung beanspruchen (BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, 2 BvR 2143/07 – zitiert nach „Beckonline”). Einer richterlichen Anordnung der Führungsaufsicht bedurfte es daher nicht. Das Gericht hat zwar zu prüfen, ob die Führungsaufsicht nach den Kriterien des § 68fAbs. 2 StGB entbehrlich ist, hält es selbige aber für erforderlich, so hat es nur Entscheidungen über die Ausgestaltung der Führungsaufsicht zu treffen (Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage, §68f Rn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.08.2010, NStZ-RR 2010, 390).

Das Amtsgericht war im Übrigen auch ohne eine Zurückverweisung im Beschluss der Beschwerdekammer vom 19.05.2014 nicht daran gehindert, die bislang unterbliebene Anhörung des Betroffenen nachzuholen und erneut über die Aufrechterhaltung und ggf. Ausgestaltung der Führungsaufsicht mit Beschluss vom 25.06.2014 zu entscheiden. Wie bereits dargestellt, ist die Führungsaufsicht i.S.v. § 68 f Abs. 1 S. 1 StGB vorliegend von Gesetzes wegen eingetreten, ohne dass es eines entsprechenden Beschlusses des Gerichts bedurfte. Durch die mit Beschluss der Beschwerdekammer erfolgte Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 15.04.2014 ist somit die automatisch eingetretene Führungsaufsicht in ihrer Ursprungsform – ohne konkretisierende Weisungen – bestehen geblieben. Es gibt keinen Grundsatz, der einer erneuten Ausgestaltung der Führungsaufsicht sowie einer Entscheidung gemäß § 68f Abs. 2 StGB – nach erfolgter Nachholung der vorgesehenen mündlichen Anhörung – entgegensteht. Es handelt sich bei dem Beschluss des Amtsgerichts vom 25.06.2014 auch nicht um eine nachträgliche Entscheidung i.S.d. § 68d StGB, da durch die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 15.04.2014 eine erstmalige Ausgestaltung der Führungsaufsicht als noch nicht erfolgt anzusehen ist. Darüber hinaus enthält der Beschluss des Landgerichts vom 19.05.2014 auch keine Entscheidung über ein Entfallen der Führungsaufsicht gemäß § 68f Abs. 2 StGB. Die Voraussetzungen des § 68f Abs. 2 StGB hat das Landgericht ersichtlich nicht geprüft. Die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 15.04.2014 erfolgte vielmehr ausschließlich aufgrund des Fehlens einer mündlichen Anhörung des Betroffenen. Nachdem diese nachgeholt wurde, stand es dem Amtsgericht somit frei, die nach wie vor kraft Gesetzes eingetretene Führungsaufsicht auszugestalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 310 Abs. 2 StPO).